FGTS - Die Zauberlehrlinge
Schon Wochen vor dem großen Ereignis fragt Christian jeden Tag: „Kommt heute der Zauberer?“ Am Donnerstag (16.11.) war es endlich soweit. „Ja, heute kommt der Zauberer!“ Christian reißt die Arme hoch und rennt laut jubelnd über den Schulhof. Am Montag danach ist er immer noch hin und weg, will seine Zauberutensilien wieder mitbringen und die Tricks immer wieder vorführen. Und üben.
Üben, üben, üben! Das ist eine der drei wichtigsten Regeln von Zauberkünstler Henri Hainz, der den Schülern der Freiwilligen Ganztagsschule am Ludwigsberg an zwei Tagen seine Tricks gelehrt hat. Er selbst ist erst 21 und trainiert seine Fingerfertigkeit seit über 15 Jahren – und das sieht man. Beziehungsweise: Man sieht es eben nicht! Wenn Henri den Schülerinnen und Schülern vorführt, wie man eine Münze hinter dem Ohr hervorzaubert, oder sie in das eine Ohr hineinsteckt und aus dem anderen wieder herauszieht, dann sieht man nicht, wie er es macht. Bis er den Trick mit Charme und Geduld ganz langsam erklärt. „Wenn ich mich jetzt umdrehe und ihr seht, wie ich es mache, werdet ihr bestimmt enttäuscht sein.“
An echte Magie glaubt natürlich keines der Kinder. „Das ist Fake!“, ruft Raphael drei Wochen zuvor noch ganz überzeugt, als die Gruppe ein Video von Henris Auftritt bei den Weltmeisterschaften 2022 zu sehen bekommt. In seiner Kategorie war er trotz seiner Jugend der erfolgreichste deutsche Teilnehmer, zaubert Münzen aus dem Nichts hervor und vervielfältigt sie ohne Mühe. Bei seinem Auftritt können sich die Kinder dann selbst überzeugen, dass das kein Trick mit der Technik war, sondern Fingerfertigkeit und Showtalent. Denn Tricks sind es eben schon, und da nimmt Henri kein Blatt vor den Mund. In seinem Workshop bricht er die oberste Regel aller Magier: Verrate niemandem, wie der Trick funktioniert!
Alle seine Tricks erklärt uns Henri natürlich auch nicht, und bei seinem Abschied weiß er noch ein letztes Mal zu verblüffen – scheinbar unvorbereitet und eben mal so, nur für ein oder zwei Kinder, die sich nicht losreißen können. Aber ein paar Tricks verstehen sie jetzt. Sie sind so einfach, dass die Kinder sich zuerst verblüfft an den Kopf greifen. „Ich glaube, mein Hirn explodiert!“ Und dann stöhnen alle überrascht auf, wenn sie verstehen, wie es gemacht wird, und wie einfach es ist. Beim Versuch, ihn nachzuahmen, benötigen sie Fertigkeiten, von deren Existenz sie teilweise noch gar nichts wussten. Das hüpfende Gummiband, der Schaustellertrick mit der Münze unter dem Becher, der schwebende und der aus dem Nichts erscheinende Zauberstab: Selbst die Betreuerinnen und Betreuer sind hin und weg und können am Ende des Workshops ein ganz klein wenig zaubern.
Zwei Tage hat Henri Hainz die Kinder der Nachmittagsbetreuung in eine magische Welt entführt und sie dabei ein wenig entmystifiziert, aber keineswegs entzaubert. Und das Beste: er wird die FGTS im nächsten Jahr wieder besuchen. Christian fragt jetzt bereits jeden Tag: „Wann kommt der Zauberer wieder?“
Roland Michael Unruh, FGTS Schule am Ludwigsberg